Flucht im Mondlicht

  • cbj
  • Erschienen: Januar 2011
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  • cbj / cbt, 2010, Titel: 'Shooting Kabul', Originalausgabe
Flucht im Mondlicht
Flucht im Mondlicht
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Yvonne Schulze
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonJun 2012

Gegen Vorurteile und für ein friedliches Miteinander der Kulturen

Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Gegen Vorurteile und für ein friedliches Miteinander der Kulturen"

Als 1989 die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abzogen, kehrte Fadis Vater Habib mit seiner Familie voller Hoffnung auf einen Neubeginn in seine Heimat Afghanistan zurück. Habib ist Universitätsprofessor, der in den USA studiert hat und der nun sein Heimatland als Wirtschaftsexperte beim Neuaufbau unterstützen möchte. Doch der zunächst hoffnungsvolle Neubeginn wird jäh zunichte gemacht, als die Taliban ihre Schreckensherrschaft in Afghanistan errichten und fortan Unmengen von Verboten und Vorschriften das Leben der Menschen stark einschränken und reglementieren. Als die Taliban schließlich auch Fadis Vater für ihre Zwecke missbrauchen wollen, sieht dieser nur noch einen Ausweg: Die Flucht aus Afghanistan. So flieht die Familie im Sommer 2001 in einer gefährlichen Nacht-und-Nebel-Aktion ein zweites Mal aus Afghanistan, um in den USA um Asyl zu bitten. Im Chaos der Flucht verliert Fadi jedoch seine kleine sechsjährige Schwester Mariam, die daraufhin in Afghanistan zurückbleiben muss, da eine Rückkehr für die Familie lebensgefährlich wäre. Fadi, der sich für Mariams Zurückbleiben verantwortlich fühlt, quält sich fortan mit Selbstvorwürfen und sucht nach Wegen, seine kleine Schwester wiederzufinden.

Doch Mariams Zurückbleiben ist nicht das einzige Problem, mit dem sich Fadis Familie in den USA herumschlagen muss. Trotz seiner akademischen Ausbildung ist Fadis Vater gezwungen, als Taxifahrer zu arbeiten, um seine Familie mehr schlecht als recht zu ernähren.  Nachdem er sein gesamtes Vermögen geopfert hat, um die Fluchthelfer zu bezahlen und die notwendigen Papiere zu besorgen, ist die Flucht aus der Heimat für ihn und seine Familie zugleich auch ein Abstieg in die Armut geworden.

Während die Familie mit Hilfe von Verwandten und Flüchtlingsbehörden versucht, den derzeitigen Aufenthaltsort der kleinen Mariam ausfindig zu machen, bekommt Fadi die einmalige Chance, in der Schule an einem Fotowettbewerb teilzunehmen, dessen erster Preis eine Reise nach Indien ist. Indien ist ein Grenzland von Pakistan, wo man die kleine Mariam unterdessen vermutet. Fadi, der von seinem Vater das Fotografieren gelernt hat, setzt alles daran, das perfekte Foto zu schießen und damit die Reise nach Indien zu gewinnen, um dort nach Mariam zu suchen, sie der Familie zurückzubringen und so seine Schuld zu begleichen.     

Als am 11. September 2001 die Türme des World Trade Centers in New York einem Attentat zum Opfer fallen und viele Menschen mit in den Tod reißen, nimmt Fadis Familie dies mit Entsetzen zur Kenntnis. Schon bald werden die Verantwortlichen der Anschläge mit Terrororganisationen aus Afghanistan in Zusammenhang gebracht. Damit verschlimmert sich die Situation für Fadis Familie, denn jetzt werden sie als afghanische Migranten von den Amerikanern offen angefeindet. Fadi wird von seinen Mitschülern geschnitten und teilweise sogar attackiert. Doch Fadi findet auch Freunde, die keine Rassen- und religiösen Schranken kennen, hier besonders seine Klassenkameradin Anh, ein chinesisch-amerikanisches Mädchen, das mit seiner quirligen und unerschrockenen Art für ihn zu einer wichtigen Bezugsperson wird.   

Die Autorin N. H. Senzai ist sowohl in den USA als auch in Saudi Arabien aufgewachsen und  hat so zwei Kulturen kennengelernt. Ihr Mann stammt aus Afghanistan und es ist das Schicksal seiner Familie, das der Autorin die Idee für dieses Buch gab. Der deutsche Titel ist leider etwas irreführend, denn dieses Buch ist kein Abenteuerroman und es geht nicht allein nur um die Flucht. Es geht hier um viel mehr – um Heimatverlust, Entwurzelung, um das Schicksal von Migranten und Flüchtlingen, um Kriege die auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen werden. Das sind sehr schwierige Themen, aber die Autorin verarbeitet diese auf sehr behutsame und verständliche Weise und verliert dabei niemals ihre Zielgruppe, nämlich die jungen Leser, aus dem Auge.

Fadi ist ein sehr sympathischer Junge, mit dem sich der Leser identifizieren und mit dem er mitfiebern kann. Die Suche nach der kleinen Mariam sorgt für die notwendige Spannung. Die Geschichte geht zu Herzen, ohne sentimental zu sein oder auf die Tränendrüse zu drücken. Die Autorin verzichtet auf jede Art von Schwarzmalerei, sie bleibt neutral und macht niemanden zum Sündenbock.

FAZIT

"Flucht im Mondlicht" ist ein spannendes und verständlich geschriebenes Jugendbuch, das man gern auch so manchem Erwachsenen in die Hand drücken möchte, da es auf einfühlsame Art und Weise Einblicke in eine fremde Kultur und Religion gibt und den Afghanistankonflikt aus einer anderen Perspektive beleuchtet. Es ist aber auch eine Geschichte über Freundschaft und familiären Zusammenhalt und über die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen.

Flucht im Mondlicht

N. H. Senzai, cbj

Flucht im Mondlicht

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